Die Fotos


04.05.2020

Ein lauter, schriller Ton der ihm durch Mark und Bein fuhr riss ihn aus dem Schlaf. Auf den Rücken drehte er sich und öffnete die Augen. Nach einigen Malen des Blinzelns hatte er sich an die nur durch wenig Licht erhellte Dunkelheit gewöhnt. Mit der rechten Hand glitt er in Richtung des Nachttisches, um blind nach seinem Handy zu tasten. Als er das Plastik unter den Fingerspitzen spürte, griff er danach und hielt es sich vor Augen. Es war 6 Uhr, die normale Zeit zum Aufstehen, damit er sich für die Arbeit bereit machen konnte. Hell zeigten ihm das die Zahlen auf dem Display. Mit dem Daumen wischte er über den Bildschirm, um diesen zu entsperren. Irritiert stellte er fest, dass die Kameraanwendung geöffnet war. Das Handy nahm er in die linke Hand, dann tippte er mit dem Zeigefinger auf das Symbol, welches ihn in die Galerie führte. Ein Foto tauchte auf dem Bildschirm auf, an dessen Entstehung er sich nicht erinnern konnte. Es zeigte ein weites Tal mit einem Fluss, der sich durch die bewaldeten Hügel hindurch schlängelte. Zwischen den Bäumen konnte man bunte Blumen hindurch schimmern sehen. Sah man mehr in Richtung des Horizontes, so konnte man auf einem der Berge eine eindrucksvolle Burg erkennen, deren viele Türme in den Himmel hinein ragten. Die Mauern ließen keinen Zweifel darüber zu, dass es schwer war, dieses Bollwerk für sich zu beanspruchen. Den Zeigefinger ließ er nach rechts wischen, sodass sich ein neues Bild zeigte. Diesmal war es an einer Steilküste aufgenommen, gegen die das Meer brandete. Gischt stand auf dem Wasser, welches es gerade einmal bis wenig über den Fuß der Klippen hinauf schaffte, so hoch waren diese. Auf dem Grat stand ein Haus, welches sich unschwer als Herrenhaus identifizieren ließ. Türme zierten es, Statuen auf dem hohen, spitzen Dach und kleine Fenster, die das Licht in die Räume unter dem Dach hinein ließen. Die Bauart erinnerte ihn an jene, die man aus Irland kannte. Noch einmal wischte er und schon zeigte sich ihm das nächste Foto. Am Fuße einer Kathedrale wurde es aufgenommen, sodass es die Fassade dieser hinauf blicken ließ. Verzierungen aller Art zeigten sich. Die feinste Steinmetzkunst konnte man an dem Gebäude erkennen, welches sich dank des Winkels weit in den Himmel hinein auftürmte. Es war demutfördernd. Noch ein Wischen nach rechts und ein neuerliches Foto. Ein gutes Dutzend waren es, die sich ihm zeigten und deren Ursprung er sich nicht erklären konnte. Aufgenommen hatte er diese nicht. Er war sich noch nicht einmal sicher, ob es solche Plätze überhaupt auf der Erde gab. Wahrscheinlich hatte er sie aus Versehen von einer Website heruntergeladen, auf der er nach Inspirationen für seine Arbeit gesucht hatte. Den Bildschirm des Handys sperrte er, um es wieder auf den Nachttisch zu legen. Einmal rieb die rechte Hand durch das Gesicht, dann erhob er sich aus dem Bett. Erst der eine Fuß, dann der andere wurden nackt auf den flauschigen Teppich gesetzt, welcher den Boden seines Schlafzimmers bedeckte. Mit Schwung erhob er sich. Noch einmal wuschelte er sich durch das lockige Haupthaar, dann ging er in das Bad.

Nachdem er sich frisch gemacht hatte, kam er mit einem Handtuch um die Hüfte gewickelt wieder aus dem Bad hervor. Nun war er um einiges wacher, wie es so gut wie jeden Morgen nach einer ordentlichen Dusche war. Nur selten waren die Nächte so lang, dass er die Augen am Morgen kaum öffnen konnte. Er achtete stets darauf, dass er pünktlich zu Bett kam. Manchmal war es nur schwierig, dies zu bewerkstelligen, besonders dann, wenn ein Projekt ihn förmlich fesselte, sei es nun durch Faszination oder Pflichtbewusstsein. Sein nächster Weg führte ihn in die Küche. Routinemäßig griff er sich eine Tasse vom Regal, welches direkt neben der Kaffeemaschine stand und stellte sie dort unter. Einen Knopfdruck später hörte man das Brummeln der Maschine. Während er darauf wartete, dass das schwarze Lebenselixier in seine Tasse floss, blickte er aus dem Fenster. Es war Herbst und dadurch zu dieser frühen Stunde noch nicht viele Sonnenstrahlen gegeben. Es reichte gerade so, um die Stadt in ein dämmriges Licht zu tauchen. Ein wundervolles Farbenspiel in rötlichen Tönen. Dank seiner Wohnung weiter oben konnte er über die niedrigeren Dächer hinweg blicken, bis hin zu den Feldern, die sich außerhalb der kleinen Stadt erstreckten. Den Blick ließ er schweifen. So oft er diesen schon gesehen hatte, aber den Genuss daran verlor er nie.

Erst als der letzte Tropfen in die Tasse gefallen war, ließ das Augenmerk vom Fenster ab, um sich sein Getränk zu greifen, welches er an die Lippen führte. Die Hitze konnte er spüren und doch störte sie ihn nicht. Einen Schluck des heißen Gebräus nahm er, welches ihm die Kehle hinab rann. Die Augen kniff er einen Moment zu, ließ sich allerdings von dem Brennen nicht weiter beeinflussen. Es gehörte mittlerweile zu seinem morgendlichem Ritual dazu. Am Tisch ließ er sich nieder, der gerade für zwei Personen reichte und stellte die Tasse ab. Auf dem einfachen Küchenstuhl lehnte er sich zurück. Bequem war zwar etwas anderes, aber es reichte um besser zu sein als im Stehen seinen Kaffee zu trinken. Die Augen schloss er. Immer wieder führte er blind die Tasse an die Lippen heran. Viel der Zeit hatte er nicht mehr, bis er sich auf den Weg durch die Stadt hin zur Arbeit machen würde. Die öffentlichen Verkehrsmittel würde ihn dorthin bringen, brechend voll, wie sie es immer um diese Uhrzeit waren. Für ein eigenes Auto fehlte im das Geld und, wenn er ehrlich zu sich selbst war, fehlte ihm auch dafür der Sinn. Er konnte alle Orte, zu denen er musste, in der Stadt auch ohne ein eigenes Fahrzeug erreichen. Jene außerhalb besuchte selten.

Nachdem der Kaffee geleert war, erhob er sich. Seine Schritte führten ihn in das Schlafzimmer zurück. Ein kurzer Blick auf das Handy verriet ihm, dass es Zeit dazu war, sich anzuziehen und ebenso, dass er keine Nachrichten hatte. Nicht ungewohnt war dieser Umstand. Seinen Kleiderschrank öffnete er, nahm sich die gewohnten Sachen heraus und begann sich zu kleiden. Zuerst die Unterwäsche, dann das Hemd und die Hose, ehe er nach dem Jackett griff, welches fein säuberlich an der Außenseite des Kleiderschrankes auf einem Kleiderbügel hing. Fertig angekleidet griff er nach dem Handy, welches in einer Innentasche verstaut wurde, um im Korridor dann in die Schuhe zu flüchten. Der Schlüssel war das Letzte, was er aus seiner Wohnung brauchte, die er bis zum Abend hin nicht wiedersehen würde. Die Tür ließ er hinter sich. Ordentlich verschlossen kehrte er sich um, um seinen Weg anzustreben.

Wie er es befürchtet hatte, war die Straßenbahn wieder so voll, dass er in der Masse keinen Sitzplatz fand. Glücklicherweise war er jung genug, als dass ihm das nichts ausmachte, auch wenn es sich manchen Tages anders anfühlte. An einer der Halterungen an der Decke festgehalten sah er aus dem Fenster, während das Verkehrsmittel im gemächlichen Tempo seine Stationen abfuhr. Schneller als zu Fuß war er so. Die Sonnenstrahlen erhellten immer mehr der grauen Stadt, die er sein Zuhause nannte. Grauer noch waren nur die Menschen, die durch die Straßen gingen, um ihrem Alltag nachzugehen. Sie waren nicht anders, als er es war.

Als seine Station aufgerufen wurde, ließ er von seiner Haltemöglichkeit ab, um sich an die Tür zu begeben. Ein Unterfangen, welches sich als schwieriger als gedacht herausstellte. Eine alte Frau, gebückt vom Alter und mit einem Gehstock bewaffnet, versperrte ihm den Weg. Erst auf die dritte Wortmeldung von ihm hin blickte sie ihm entgegen, bevor sie ihm Platz machte. Es war so knapp, dass ein kleiner Zipfel seines Jacketts sich in der Tür verfing, als diese sich hinter ihm schloss. Ein Fluchen unterdrückte er. Es war nicht das erste Mal, dass er solche Dinge erlebte. Zudem würde er seine Energie an diesem Tag noch brauchen. Auf das große, verglaste Bürogebäude steuerte er zu, in dem sich die Agentur befand, für die er arbeitete.

Nachdem er das Gebäude betreten hatte, wies er sich gewohnt am Eingang bei der älteren Dame an der Rezeption aus, die ihm schon vor der Sicht auf die Karte durch winkte, um dann in einen der Fahrstühle zu steigen. Zwar war dieser nicht so voll, wie es die Straßenbahn gewesen war, allerdings auch alles andere als leer. Das fünfte Stockwerk war sein Ziel. Einige stiegen vor ihm aus, bevor sich die Türen auch für ihn öffneten. Durch einen kurzen Gang trat er in das große Büro hinein, in welchem sich auch sein Platz befand, auf den er sich sogleich zu begab. Bis dorthin kam er allerdings nicht. Einer seiner Arbeitskollegen wies ihn darauf hin, dass der Chef mit ihm in seinem Büro sprechen wollte. Mit einem ergebenem Nicken setzte er gleichsam seine Schritte in diese Richtung fort. Ein kurzes Klopfen an die Tür, dann betrat er das Büro. Der etwas korpulentere Mann mit dem schütteren Haar und der dicken Brille auf der Nase blickte zu ihm. Den Stuhl vor dem Tisch bot er ihm mit einer Handbewegung an. Die letzte freundliche Geste, die er für die nächsten Minuten von sich gab. Seine nächsten Fragen bezogen sich darauf, warum es in den Projekten nicht weiter ging, die man ihm überlassen hatte, obwohl sie doch so vielversprechend waren. Einige Male setzte er zu einer Rechtfertigung an, doch unterbrach sein Chef ihn immer wieder, sodass er es irgendwann aufgab und nur noch der Zurechtweisung folgte. Eine Drohung des Entzugs des Projektes beendete den Wortfluss des Mannes hinter dem Schreibtisch, der daraufhin auch schon drängte, dass das Büro zu verlassen ist. Ohne ein Widerwort hielt er sich daran.

Die Tür des Büros schloss sich und er nutzte den kurzen Moment, um durchzuatmen. Viel brachte es ihm nicht ein, denn schon sah er einen seiner Kollegen auf ihn zukommen. Er wusste, was folgen würde und er sollte Recht behalten. Als wäre die Zurechtweisung des Chefs nicht schon genug gewesen, stellte auch sein eigentlicher Kollege fest, dass das Projekt in seiner Hand doch viel besser laufen würde und dass er in den nächsten Tagen ihn streng unter Beobachtung halten würde. Wenn es sich nicht besserte, dann würde er beim Chef vorsprechen, um das Projekt für sich zu bekommen. Aussprechen ließ er ihn aber nicht. Es war nicht das erste Mal, dass dieser Kollege sich so zu Wort meldet und genau aus diesem Grund begab er sich einfach zu seinem Arbeitsplatz hin, an dem er sich niederließ. Ein Druck auf den Schalter des Monitors ließ diesen aufleuchten. Es zeigte sich sogleich die Arbeit, die vor ihm lag. Die Finger legten sich auf Tastatur und Maus, dann begann er seine gewohnte Routine. Es war keine langweilige, stupide Arbeit, wie sie viele andere Menschen verrichten mussten, um sich ihr tägliches Brot zu verdienen. Oft genug konnte er seiner Kreativität freien Lauf lassen. Etwas, was er schon seit seiner frühen Kindheit stets anstrebte. Die Gespräche mit den Kunden, ob sie nun schriftlich waren oder am Telefon, sowie der weitere Papierkram waren allerdings störend in diesem Prozess. Er hatte es schon früh als notwendiges Übel abgetan.

Aus der Routine riss ihn das Klingeln seines Arbeitstelefons. Den Hörer nahm er ab und beantworte den Anruf. Es war einer der Kunden, der mit dem Projekt in Zusammenhang stand und ebenso wenig darüber erfreut war, dass es nicht voran ging. Wenigstens ließ er ihn aber zu Wort kommen, sodass er ihm erklären konnte, dass er bisher noch nichts gefunden hatte, was ihm wirklich gefiel und was den Wert dieses Projektes widerspiegelte. Es war der Hauch eines guten Gefühles, als er den Hörer wieder auflegte. Ein Gefühl, das nicht lange währte, denn als er aufblickte, stand vor ihm eine Frau, die ihm gut bekannt war. Sie unterhielt eine Softwarefirma im gleichen Gebäude. Ihr Anliegen hatte sie schnell vorgebracht. Einige Poster zur Werbung wollte sie. Um Weiteres zu besprechen führte er sie in einen abgeschlossenen Raum hinein, in dem sie ungestört vom Lärm der anderen Gespräche des Großraumbüros waren. Nachdem sie sich ebenso wie er gesetzt hatte, zeigte sie ihm einige Bilder, welche er für die Poster verwenden sollte. Keines der Bilder gefiel ihm auch nur im Ansatz. Sie waren wenig einzigartig und noch weniger aussagekräftig, was er sie auch wissen ließ. Seine Meinung schien ihr nicht zu gefallen. Sie sträubte sich dagegen, forderte ihn auf die mitgebrachten Bilder zu verwenden oder sie würde einen anderen in der Agentur damit beauftragen. Bevor die Situation eskalierte, zückte er sein Handy. Flink hatte er es entsperrt, dann öffnete er die Galerie. Die Fotos, die ihm am Morgen noch verwundert hatten, zeigte er ihr. Die aufgebaute Wut verschwand mit einem Mal. Der Gesichtsausdruck hellte sich auf wie die Sonne nach einem langem Regentag. Mit dem letzten der Fotos, welches er ihr zeigen konnte, überließ sie gänzlich ihm die Gestaltung der Werbeposter, so lange er die gezeigten Bilder dafür verwendete, natürlich exklusiv nur für dieses Projekt. Mit einem Nicken segnete er es ab, auch wenn er sich mental vermerkte, dass er b der Quelle der Fotos forschen musste, um eindeutig sicher zu sein, dass er sie auch rein rechtlich verwenden darf. Wenn er sie verwenden konnte, um das Projekt abzuschließen, dann würde es seinem angeschlagenem Ruf in der Agentur helfen, zudem war es nichts, was lange brauchen würde.

Bis zum Feierabend verbrachte er damit, die Poster zu arrangieren, nachdem er keine Quelle der Bilder gefunden hatte. Länger als er es müsste saß er vor dem Bildschirm, um auch noch die kleinsten Details so zu bearbeiten, dass sie in seinen Augen perfekt waren. Erst als dieser Zustand gegeben war, lehnte er sich auf dem Stuhl zurück. Er war der letzte im Büro verbliebene Arbeiter. Selbst der Chef war bereits gegangen. Nach einigen Momenten der Ruhe schaltete er den Bildschirm aus. Auch wenn er das große Projekt vernachlässigt hatte, so hatte er ein neues an einem Tag angenommen und beendet. Morgen würde er es übermitteln. Das sollte seine Vorgesetzten erfreuen. In diesem Glauben erhob er sich mit einem schon lang nicht mehr gespürtem, gutem Gefühl, um das Büro hinter sich zu lassen.

Der Rückweg führte ihn nicht direkt wieder in seine Wohnung, sondern in eine der umgebenen Kaufhallen. Zwar gab es einige, die näher waren, doch gab es Gründe dafür, dass er diese bevorzugte. Nachdem sein Korb angefüllt war mit allem, was er brauchte, fand er sich an der Kasse ein, wo sich auch der Grund für die Bevorzugung befand. Eine junge Frau seines Alters kassierte den Kunden vor ihr ab. Das lange, rote Haar hatte sie zu einem Zopf gebunden, der das schmale Gesicht erst recht zur Geltung brachte. Die tief braunen Augen fanden auf seine. Mit diesem Blickkontakt warf er ihr ein Lächeln zu. Einige Momente vergingen noch, dann war er an der Reihe. Wie in den letzten Wochen auch tauschte er mit der Kassiererin einige Worte aus, die über eine schlichte Begrüßung hinaus gingen. Um seine Arbeit wusste sie und, wie er es sich schon seit Tagen zurechtgelegt hatte, machte er ihr ein Kompliment, indem er sie als Inspiration für sein großes Projekt bezeichnet, für welches er sie gerne gewinnen würde. Eine direkte Antwort bekam er darauf nicht. Ihr Lächeln war allerdings angetan. Den Einkauf verstaute er nach der Übergabe des Geldes in einer Tasche, dann verabschiedete er sich von seinem Schwarm. Er wollte sich schon umwenden, da rief sie ihn allerdings noch einmal. Den Einkaufsbon hatte er vergessen. Diesen nahm er an sich und verstaute ihn dann mit in seiner Tasche. Die kurze Berührung der Finger beider war dabei ein wahrlich elektrisierendes Gefühl. Bester Laune aufgrund der Begegnung, auch wenn sie seinem Anliegen nicht zugesagt hatte – noch nicht – begab er sich hinaus aus der Kaufhalle. Eigentlich hatte er vor gehabt, mit der Bahn zu fahren, doch in seinem Kopf schwirrten so viele Gedanken umher, dass er ganz automatisch den Fußweg einschlug, der ihn bis zu seinem Wohnhaus hin führte. Die frische Abendluft tat ihm gut dabei.

Die Wohnungstür öffnete er und schloss sie mit dem Fuß hinter sich. Nachdem er sich des Jacketts entledigt hatte, räumte er zuerst den Einkauf in den Kühlschrank ein und dorthin, wo er hingehörte. Für die nächsten Tage würde er nicht einkaufen müssen. Dies hieß zwar auch, dass er sie nicht wiedersehen würde, aber das nahm er gerne in Kauf. Als er die Tasche wieder verstaute, fiel ihm der Kassenbon in die Hände. Auf der Rückseite stand etwas mit Kugelschreiber in Handschrift geschrieben. Mit Erstaunen erkannte er in der Abfolge von Zahlen eine Telefonnummer. Nach seinem Handy griff er, um sie sogleich zu wählen. Es klingelte. Es klingelte erneut. Und noch einmal. Es nahm niemand ab. Erst in diesem Moment fiel ihm auf, dass sie noch bei der Arbeit war und aus diesem Grund nicht das Handy benutzte. Die Euphorie hatte ihn zu sehr gepackt. Er brauchte Ablenkung.

Nach einer Tasse Kaffee und einem kleinen Abendbrot setzte er sich an den Schreibtisch im Schlafzimmer. Den Laptop öffnete er, um auch sogleich sein Handy mittels eines Kabels an diesen zu schließen. Die Bilder lud er auf den Computer herunter, auf welchem er einen Ordner anlegte, um die mysteriösen Fotos zu kategorisieren. Insgeheim hoffte er, dass noch mehr solcher auf seinem Handy auftauchen würden. So sehr er sich auch bemühte, die Bilder zu bearbeiten, so wenig musste er es doch, sodass er sie am Ende in ihrer reinen Form am Computer ließ, den er im nächsten Moment ausschaltete.

Gerade als er sich zu Bett begeben wollte, klingelte das Handy. Nach diesem griff er und blickte auf das Display. Ihr Name stand dort. Natürlich hatte er ihre Telefonnummer gleich unter ihrem Namen eingespeichert. Dank des Schildes an ihrer Brust wusste er diesen, auch wenn sie seinen nicht wusste. Im folgendem Telefonat sollte sich dies aber ändern. Sie tauschten sich aus über das Leben, die Arbeit und die Stadt, in der sie lebten, um am Ende die Übereinkunft zu treffen, dass sie bei einem Bier in einem Pub dieses Gespräch noch weiter vertiefen sollten. Mit dem Wissen um diese Verabredung legte er das Handy auf den Nachttisch. Die Decke zog er über sich, bevor er die Augen schloss. Der Schlaf fand ihn schnell, hatte das Gespräch doch länger gedauert, als er es geplant hatte.

Auf einer weiten Wiese fand er sich wieder. In etwas Entfernung konnte man ein kleines, idyllisches Dorf erkennen. Über den Dächern aus Stroh stieg Rauch aus. Die Fassaden waren einfach und doch wundervoll. Einige Bäume standen in voller Blüte auf der Wiese und das Rauschen eines Baches drang an sein Ohr. Gerade als er sich bewegen wollte, berührte etwas seine Hand. Den Blick wendete er zur Seite, um sie dort zu sehen, gekleidet in einem luftigen Sommerkleid von tiefgrüner Farbe ohne Schuhe an den Füßen. Ein weites Lächeln schenkte sie ihm. Die dunklen Augen leuchteten dabei voller Freude und Wärme. An der Hand wirbelte er sie herum, sodass sie vor der Kulisse stand, die er zuerst gesehen hatte. Mit einem Griff in die Tasche holte er das Handy hervor. Einige Momente vergingen. Klick.